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World Day 2016: Statement von Jenny Sealey

 

gehörloses Mädchen entdeckte ich Ballettstunden als sicheren Ort für mich. Es war eine visuelle Welt, an der ich teilhaben konnte, indem ich zusah und es war zugleich eine Befreiung, nicht Lippen lesen zu müssen. Ich konnte mich in den Übungen verlieren und war begeistert davon, Geschichten zu erfinden und zu tanzen. Ballett war meine erste Erfahrung mit dem Geschichtenerzählen und als ich älter wurde, begann ich mich für das Theater zu interessieren, insbesondere für junges Publikum und mit jungen Menschen. Was für ein tolles Experimentierfeld für jeden Schauspieler und was für eine großartige Möglichkeit, einen kreativen Ort mit Kindern und Jugendlichen zu teilen, die den Geschichten ihres Lebens zuhören und sie zu Stücken machen, um ihren Erfahrungen, Versuchungen und Herausforderungen des Lebens eine Bühne zu geben.

Während ich dies schreibe, arbeite ich an einer Regie von Mike Kennys Stück „Stepping Stones“, das ich vor 18 Jahren schon einmal mit Joe Palmer gemeinsam für Interplay inszeniert habe. Die Produktion war (wie die neue, die mit dem Graeae Ensemble aus gehörlosen und behinderten Schauspieler_innen zwischen 20 und 22 Jahren) für junge Menschen mit schweren und vielfältigen Behinderungen, für junge Gehörlose und Blinde, Behinderte und Nicht-Behinderte. Die Freude daran, in der Arbeit über kreative Zugänge mit Untertiteln, Gebärdensprache, Klängen und Atmosphären nachzudenken, manifestiert sich in dem Glauben daran, dass ALLE jungen Leute gleichberechtigt und umfassend Zugang zum Theater haben sollten.

Ich bin zunehmend frustriert, wenn ich sehe, dass die Relevanz von Kunst für, mit und von jungen Menschen bis heute weder umfassend anerkannt noch finanziert ist. Es ist herzzerreißend, wie viele behinderte Kinder und Jugendliche in vielen Ländern nicht für wert erachtet werden, an Bildung teilzuhaben, ABER meine Reisen verdeutlichen mir auch immer wieder, mit wie viel Leidenschaft die Arbeit der Aktiven erlebbar macht, dass es keine Welt ohne Theater geben kann und wird und dass Theater für das Leben bildet.

 

2016 ist das 10. Jubiläum der “Convention on the Rights of Disabled People” der UN und dies ist eine gute Gelegenheit, sich rund um den Globus die Hände zu reichen und diese Leidenschaft zu fördern. So können wir weiterhin gemeinsam Theater machen, das WICHTIG ist MIT denjenigen, die wichtig sind und FÜR diejenigen, die wichtig sind.

 

(Übersetzung: Meike Fechner)

 

Welttag des Theaters für Kinder und Jugendliche

20 März 2016

Grußwort von Yvette Hardie

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Vor fünf Jahren haben wir die Kampagne “Take a child to the theatre today” / “Geh heute mit einem Kind ins Theater” gestartet, die an vielen Orten in der ganzen Welt den Welttag des Theaters für Kinder und Jugendliche feiert. Diese Kampagne hat die ASSITEJ Mitglieder in ihren Anliegen bestärkt und es sind Argumente formuliert und Reden gehalten worden, die deutlich machen, warum Kindern und Jugendlichen Theatererlebnisse ermöglicht werden sollten.

Zu diesen Argumenten gehören:

  • das Recht der Kinder auf Teilhabe an Kultur
  • die Tatsache, dass Theater Teil eines ganzheitlichen Bildungsansatzes ist, der unterschiedliche Aspekte von Intelligenz befördert
  • wie wichtig es ist, die kindliche Neugier, Phantasie und Freude zu fördern
  • die Notwendigkeit, Kindern Hoffnung zu geben in einer Welt, die oft verwirrend oder hoffnungslos scheint
  • die Bedeutung einer ästhetischen Bildung und der Kompetenz, verschiedene künstlerische Sprachen „lesen“ zu können
  • die Notwendigkeit des Agierens in Gemeinschaft, das Verbindungen schafft und Empathie stärkt
  • die Besonderheit von Theater als Erfahrung im gemeinsamen Jetzt der Schauspieler_innen und Zuschauer_innen während der Aufführung
  • die Möglichkeit, im Theater die Welt anders zu sehen und zu hinterfragen, verbunden mit der Notwendigkeit, verschiedene Perspektiven zuzulassen

Aber ich frage mich, ob es nicht einen anderen, fundamentaleren Grund gibt, warum Künstler_innen für ein junges Publikum arbeiten, einen Grund, der über diese Argumente hinaus geht.

Dieser Grund könnte sehr persönlich sein, denn in der Arbeit für Kinder und Jugendliche können wir auch das Kind in uns selbst befragen, stärken, heilen und erhalten.

Als eine Gruppe junger Leute aus einem Township in Südafrika begann, ein Stück für die Allerkleinsten zu machen, entdeckten sie, dass es notwendig ist, dass sie die Unschuld, die Zärtlichkeit, die Verletzbarkeit und die Möglichkeit, vollständig sie selbst zu sein erst wieder hervorholen und in sich entdecken mussten. Für manche von ihnen geschah dies zum ersten Mal. Dies war der Beginn eines Heilungsprozesses, der die jungen Künstlerinnen und Künstler tief berührte und sie motivierte, dieses Feld weiter zu erkunden.

Ausgehend von diesem tiefen inneren Bedürfnis sind wir dann wiederum in der Lage , andere zu berühren und zu beeinflussen. Die Beziehung zu unserem Publikum wird umfassender je vollständiger und authentischer wir selbst sind. So können wir Eltern und Kindern, Familien, Lehrerinnen und Lehrern ermöglichen, die Welt wieder durch die Augen der jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft zu sehen.

Schon oft habe ich Sprüche wie “Ich konnte gar nicht glauben, dass mein Kind so lange still sitzen kann” oder “Ich hätte nicht gedacht, dass mein Kind so viel Humor in diesem Stück entdecken würde“ gehört, wenn ich aus dem Theater kam. Es sind auch diese Momente, in denen das Kind als Individuum wahrgenommen wird, in denen Künstler_innen dazu beitragen, dass die wichtigen Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen an Tiefe und Komplexität gewinnen.

Vielleicht ist es das größte Geschenk, dass das Theater für Kinder und Jugendliche uns machen kann – egal ob wir Künstler_innen, Zuschauer_innen, Eltern, Lehrer_innen oder Kinder sind – das Geschenk, Ganzheit wieder zu entdecken, wo Dinge zerbrochen scheinen und damit wieder zu entdecken, was wir schon immer sein sollten.

(Übersetzung: Meike Fechner)